Sonntag, 12. September 2010

Wie war das gleich - Geschichtsloses Afrika?

Wir schreiben den 3. September des Jahres 2003. Gestern war Neujahr in Aethiopien, ich wuensche Melkom Addis Amad. Anderer Kalender, eigene Schrift und einen Haufen verschiedenste Sprachen, Aethiopien tickt nach eigener Uhr. Als eines der beiden afrikanischen Laender, dass sich der Kolonisierung entzogen hat - das zweite ist Liberia - ist Aethiopien in vielerlei Hinsicht einzigartig. Sechs Jahre dauerte die Besatzung durch den italienischen Faschismus, bis Kaiser Menelik und die RAF from England, die Faschos hinfort bombten. Und was sind schon sechs Jahre von 2000, die Aethiopien regiert wurde von verschiedensten Kaisern, zuletzt Haile Selassie, der vor seiner Thronbesteigung noch Ras Tafari hiess, und von eben den Rastafaris noch heute verehrt wird. Warum eigentlich? Als er aus dem Flugzeug stieg in Kingston, Jamaika, begann es zu regnen, nach jahrelanger Duerre. In Athiopien ist das Verhaeltnis der Menschen etwas zwiegespaltener zum alten Kaiser. In den 70ern wurde Haile Selassie abgesetzt, Aethiopien wurde zum ersten Male Republik. Es folgten jedoch Jahre des Terrors unter dem kommunistischen Regime Mengistus. Heute ist Aethiopien offizielle Mehrparteiendemokratie und tickt noch immer nach seinen eigenen Regeln. Der Staat ist foederal aufgebaut. Jede Provinz hat das Recht sich fuer unabhaengig zu erklaeren, wenn die jeweilige Bevoelkerung dafuer stimmt. Bereits einmal ist dies geschehen, im Falle Eritrea, dass historich ein Teil Aethiopiens, lange aber italienische Kolonie war. Nach der Unabhaengigkeit von Italien wurde es Aethiopien erneut eingegliedert, gegen den Willen der Bevoelkerungsmehrheit. Rund 30 Jahre dauerte allein der bewaffnete Kampf um Souveraenitaet. Erst unter Menes Zelawi, Aethiopiens heutigem Praesidenten durfte Eritrea sich lossagen vom grossen Bruder/grosse Schwester. Diesmal jedoch bewies Aethiopien, dass die neue Verfassung mehr als hohle Floskeln waren. Ironischerweise schwelt seit einigen Jahren ein weiterer Sezessionskonflikt: Im Osten des Landes, der Wuestenregion Ogaden, kaempfen Gruppen fuer die Unabhaengigkeit der Region, die fast ausschlieslich von Somali bewohnt ist. Hier wird das Bestreben von Aethiopiens Armee mit Gewalt unterdrueckt.

Doch zurueck zur Geschichte - oder zumindest einzelnen Aspekten. Den Eintrag haette ich auch "Did you know?" nennen koennen. So, did you know, dass eine Minderheit Aethiopier_innen juedischen Glaubens sind? Falasha heisst die Bevoelkerungsgruppe und lebt heute zum Grossteil in Israel, in das sie 1991 eingeflogen wurden, um jahrhundertelanger Diskriminierung zu entgehen. Auch die Kaiser Dynastien, bis hin zu Haile Selassie, beriefen ihr Dasein auf Koenig Salomon, von dem sie nach eigener Darstellung abstammten. Zweifelsohne, hegte das Land schon vor dem Jahr 0 Handelsbeziehungen zum alten Griechenland, Aegypten und eben Israel. Auch der Ark of Covenant, eine der wertvollsten juedischen Reliqiuen, befindet sich bis heute in Aethiopien. Der Grossteil der Bevoelkerung ist hingegen christlich-orthodox. Viele Frauen haben Kreuze in ihre Gesichter taetowiert, Priester laufen durch die Strassen und Menschen kuessen das Kreuz, dass die Priester mit sich tragen. Doch es gibt sie auch, die atheistische Gemeinschaft im Norden des Landes. Antirassistisch und antisexistisch organisiert, leben Menschen dort gleichberechtigt zusammen. Rund 1000 Personen umfasst die Gemeinschaft, schon mehrfach hat das aethiopische Fernsehen ueber sie berichtet, immerhin.

Ein weiteres interessantes Detail, dass kaum jemand weiss: Haile Selassie war der erste Regierungsvertreter, der Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg besuchte. Resultat der Reise: Aethiopien zahlte Entwicklungshilfe an die BRD. Vorallem Decken und Nahrungsmittel wurden nach Deutschland gebracht. Heute ist es andersrum, viele Universitaeten des Landes wurden von der GtZ erbaut und ausgestattet.

Und dann gibt es noch den IWF, den Internationalen Waehrungsfond, jene neoliberale Institution, die schon so viele gute Ansaetze von sogenannten Entwicklungslaendern zunichte gemacht hat. In Aethiopien forderte sie das Uebliche: Oeffnung der Maerkte und des Finanzwesens, Stopp der Ausgaben fuer Projekte der Armutsbekaempfung und einen rigosen Sparkurs. Menes Zelawi aber empfand diesen Unsinn, neben dem Aspekt, dass er Unsinn ist, als erneute Kolonisierung und trat in Konflikt mit dem IWF. Folglich wurden Aethiopien keine Kredite mehr genehmigt, bis sogar der IWF einsehen musste, das der Regierungskurs doch eigentlich bloss richtig war. Manches laeuft hier eben nicht so schlecht wie Mensch in Europa so denken mag. Was bisher so geschah, erzaehle ich bald, nun aber wartet ein Machiatto auf mich, zumindest etwas Gutes haben die Faschisten hier hinterlassen. Ciao!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen